Das Verwaltungsgericht (VG) Gießen hat mit rechtskräftigem Urteil vom 08.07.2021, 4 K 1691/20.GI entschieden, dass die jährlich versandte Rentenerhöhungsmitteilung eines berufsständischen Versorgungswerks – es handelt sich hierbei nicht um die HZV - keinen Verwaltungsakt darstellt.
Im konkreten Fall legte der spätere Kläger gegen die Rentenerhöhungsmitteilung des Versorgungswerks Widerspruch ein, den das Versorgungswerk als unzulässig zurückwies. Grund für den Widerspruch war u. a., dass der spätere Kläger nicht mit mehreren „Nullrunden“ seines Versorgungswerks einverstanden war bzw. dass ihm die Erhöhung seiner Rente als zu gering erschien. Er begründete dies damit, dass auf Grund der wirtschaftlichen Lage des Versorgungswerks ausreichend Mittel für die von ihm begehrte Rentenerhöhung von 2% vorhanden gewesen seien.
Dem folgte das VG Gießen nicht. Es schloss sich zunächst der Auffassung des beklagten Versorgungswerks an, wonach es sich bei den jährlich versandten Rentenerhöhungsmitteilungen nicht um Verwaltungsakte handelt. Vielmehr stellen sie lediglich eine Information über die Auswirkungen des von der Vertreterversammlung des Versorgungswerks (bei der HZV wäre dies die Delegiertenversammlung der LZKH) getroffenen Beschlusses über die Rentenerhöhung dar. Die praktische Bedeutung dieser Differenzierung liegt darin, dass gegen ein bloßes Informationsschreiben kein Widerspruch zulässig ist.
Das VG Gießen verneint auch einen Anspruch des Klägers auf eine (weitere) Erhöhung seiner Rente dahingehend, dass die Entwicklung der Beitragseinnahmen und Vermögenserträge angemessen berücksichtigt und die Erhöhung der Preisniveaus für die Lebenshaltungskosten im Lande Hessen ausgeglichen werden müssen. Ein solcher Anspruch ergebe sich weder aus Gesetz, Satzung oder Normen des Grundgesetzes (GG).
Grundlage der Dynamisierung: Jahresabschluss und versicherungsmathematisches Gutachten
Das Gericht macht deutlich, dass sich die Höhe der Rente zunächst aus der in der Satzung niedergelegten Rentenformel ergibt. Die Dynamisierung von Anwartschaften und Renten werde aufgrund des Jahresabschlusses und des versicherungsmathematischen Gutachtens des vorletzten Geschäftsjahres von der Vertreterversammlung auf Vorschlag des Vorstandes festgesetzt, wobei dieser Beschluss bekannt zu machen sei. Eine regelmäßige Erhöhung der Leistungen oder der Anwartschaften sei in der Satzung nicht vorgesehen.
Das VG Gießen stellt zunächst fest, dass es im konkreten Fall schon an einem entsprechenden Beschluss der Vertreterversammlung fehle. Dies sei sowohl formal als auch inhaltlich nicht zu beanstanden, da schon den betreffenden versicherungsmathematischen Gutachten nicht zu entnehmen sei, dass eine Erhöhung angeraten oder gar geboten gewesen sei.
Was bedeutet dies nun für die Hessische Zahnärzte-Versorgung? Auch hier ergibt sich die Höhe des Altersruhegeldes unmittelbar aus der Satzung (§ 30). Das „Ob“ einer Ruhegeldgewährung wird durch die HZV ausschließlich mittels eines sog. Dauerverwaltungsaktes (Ihrem Ruhegeldbescheid) geregelt. Die individuelle Höhe des Ruhegeldes lässt sich aus dem in der Satzung enthaltenen Berechnungsweg berechnen, dieser ist dem Ruhegeldbescheid beigefügt. Die jährliche Mitteilung über die Dynamisierung des Altersruhegeldes ist lediglich eine Information über die Auswirkungen des von der Delegiertenversammlung getroffenen Erhöhungsbeschlusses gem. § 24 Abs. 2 der Satzung. Ein Widerspruch gegen diese Mitteilung, ist demnach unzulässig.
Weder das Heilberufsgesetz noch die Satzung der HZV gewähren einen Anspruch auf Erhöhung des Ruhegeldes. Vielmehr hat hierüber ausschließlich die Delegiertenversammlung auf Grund der aus der versicherungstechnischen Bilanz abgeleiteten Ergebnisse und unter Berücksichtigung der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung zu beschließen (§ 24 Abs. 2 Satz 1 der Satzung). In der Praxis erfolgt dies in der Regel auf Antrag des Verwaltungsrats, der wiederum einem Vorschlag der versicherungsmathematischen Sachverständigen folgt.
Bisher keine „Nullrunden“ bei der HZV
Bislang konnten die Ruhegelder noch immer dynamisiert werden. Aber – dies zeigt das Urteil des VG Gießen – einen einklagbaren Rechtsanspruch hierauf gibt es nicht.
Das VG Gießen hat mit ebenfalls rechtskräftigem Urteil vom 03.12.2020, 4 K 1000/20.GI entschieden, dass jährliche Anwartschaftsmitteilungen eines Versorgungswerks – auch hier handelt es sich nicht um die HZV - keine einen Vertrauenstatbestand begründende Rechtsqualität haben. Vielmehr sei mit Ihnen nur das In-Aussicht-Stellen einer Versorgungsleistung bei unveränderten Verhältnissen verbunden.
Hier hatte sich ein Mitglied gegen die Berechnung einer vorgezogenen Altersrente gewandt, da diese geringer ausfiel, als in der letzten Anwartschaftsmitteilung ausgewiesen. In einer Stellungnahme stellte der hinzugezogene Versicherungsmathematiker des Versorgungswerks fest, dass der Rentenbescheid zutreffend berechnet worden sei, allerdings sei die Anwartschaftsmitteilung fehlerhaft. Ein Grund für die Abweichung sei, dass die tatsächlich geleisteten Beitragszahlungen in einem Jahr niedriger gewesen seien als diese in der seinerzeitigen Rentenanwartschaftsmitteilung ausgewiesen worden seien.
Das Gericht stellte zunächst fest, dass der Rentenbescheid rechnerisch richtig sei. Ein Anspruch auf Zahlung einer weiteren monatlichen Rente bestehe nicht.
Versorgungswerke keine Leistungsträger im Sinne des SGB I
Zutreffend lehnt das Gericht einen Anspruch aus dem Institut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ab, weil die Vorschriften des SGB auf berufsständische Versorgungswerke und ihre Mitglieder keine Anwendung finden, so dass auch keine Pflicht zur einzelfallbezogenen Beratung analog § 14 SGB I besteht.
Keine Pflichtverletzung durch fehlerhafte Anwartschaftsmitteilung
Zwar wiesen die jährlichen Anwartschaftsmitteilungen des beklagten Versorgungswerks einen höheren Betrag als die später ausgekehrte Rente aus. Allerdings würden diese Anwartschaftsmitteilungen keinen Vertrauenstatbestand begründen, da sie ausdrücklich darauf hinwiesen, dass hiermit keine rechtsverbindliche Auskunft erteilt werde. Auch die „blaue Mitteilung“ der HZV enthält einen entsprechenden Passus so dass nach diesem Urteil des VG Gießen eine etwaige fehlerhafte Anwartschaftsmitteilung keinen Vertrauenstatbestand begründen würde, der zu einem irgendwie gearteten Schadensersatzanspruch führen würde.
Wichtig: Fehler betraf nur Einzelfall
Es ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei der Abweichung im Hinblick auf die Beitragszahlung um einen Einzelfall gehandelt hat. Der Fehler beruhte im konkreten Fall auf einer Neuprogrammierung des Rechenprogramms, der zu der überhöhten Angabe der erworbenen Anwartschaften geführt hat. Dieser Fehler trat ausschließlich beim klagenden Mitglied auf, bei anderen Mitgliedern ist es zu keinen Fehlberechnungen gekommen. Insoweit war der Fehler nicht systemischer Natur.